Warum gutes Arbeiten mit einem Check-in starten sollte …
Gastbeitrag von Marco Spee

 

Seit nunmehr 10 Monaten arbeitet der Großteil der Republik remote … die Tage sind ein kontinuierlicher Fluss von Videokonferenzen. Wir sitzen im Homeoffice und schauen fern. Abends fühlt es sich an wie ausgequetscht – irgendwas fehlt.

 

Und das „Irgendwas“ können Mitarbeiter wie Führungskräfte* erstaunlich gut benennen – das „Menscheln zwischendurch“, das Quatschen beim Kaffee – kurz: die informelle Kommunikation. Das was einfach so passiert, wenn Menschen zusammenkommen, das miteinander verbinden – nie war es uns so bewusst. Erst jetzt wo es fehlt.

 

Spannend wird es bei der Frage:

 

„Wie kreiere ich diesen Raum bewusst – insbesondere da, wo niemand mehr physisch zusammenkommt, nämlich digital?“

 

Frederick Laloux** ist einer der Pioniere auf dem Feld moderner, sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. Er hat in seiner Arbeit als Berater immer wieder erlebt, dass viele aktuelle Formen der Zusammenarbeit strukturell zu Unzufriedenheit und somit zu schlechten Ergebnissen führen. Und hat sich weltweit Organisationen angesehen, die „anders“ arbeiten – bei denen die Mitarbeiter zufriedener sind und die Ergebnisse besser.

 

Geht das überhaupt? – Ja!

 

Und warum dieser Ausflug an dieser Stelle? Weil die Ergebnisse aus Laloux‘ Untersuchungen uns spannende Hinweise geben, um unsere aktuelle Herausforderung zu lösen: wie schaffe ich einen Raum für Verbindung von Mensch zu Mensch?

 

Laloux hat herausgearbeitet, dass integrale Organisationen (wie er sie nennt) durch drei (mehr oder weniger stark ausgeprägte) Organisationsprinzipien geprägt sind:

  1. Ein bestimmtes System von Selbstorganisation,
  2. die Orientierung an einem evolutionären Sinn oder purpose
  3. und die Integration der Ganzheit des Menschen.

Auch wenn der ein oder andere beim dritten Punkt den Hang hat, etwas Esoterisches zu hören und vielleicht schon gar nicht hinhört – trifft dieser Faktor den Nagel auf den Kopf.

 

In vielen der untersuchten Organisationen wurde schon vor dem Weg ins Homeoffice erkannt: das Schaffen von Räumen, in denen Menschen mehr als die professionelle Maske voneinander sehen, führt zu erfolgreicher Zusammenarbeit.

 

Emotionale Transparenz schafft ein besseres Verständnis füreinander, schafft psychologische Sicherheit, die wiederum zu konstruktiveren Diskussionen, höherer Konfliktkompetenz und am Ende zu qualitativ hochwertigeren Problemlösungen führt.***

 

 

Was können wir also von diesen Organisationen für den aktuellen Kontext lernen?

Übergeordnet:

  1. Es sind die vielen kleinen Praktiken, die Räume für menschliche Verbindung öffnen – ganz gleich, ob physisch beieinander oder remote
  2. und um diese Praktiken in Organisationen zu verankern, braucht es passende Formate, durch die diese Praktiken institutionalisiert werden
  3. und „der Fisch stinkt vom Kopf“ – wenn diese Formate von der Führungskraft nicht ernst genommen werden, können Sie es gleich vergessen.

 

Nun also endlich zur Überschrift dieses Textes:

Eine simple, einfache und doch hochgradig wirkungsvolle Praktik ist der „Check-in“.

 

Im Check-in nehmen wir uns zu Beginn eines jeden Meetings die Zeit, um ein Gefühl dazu zu bekommen, wie jeder einzelne „grade da ist“.

Das bedeutet nicht, welches Verkehrsmittel er gewählt hat oder wie weit der Weg aus dem Bett an den Schreibtisch war. Sondern es gibt jedem Teilnehmer den Raum, emotionale Transparenz zu schaffen für das, was eh im Raum ist – ausgesprochen oder nicht. Wie ist grade meine Verfassung – habe ich mich über etwas geärgert, hat mich etwas motiviert, bin ich gestresst … etc. Allein diese einfache Indikation ändert die Bewusstheit für die Zusammenarbeit und steigert somit deren Qualität.

 

Meine Kollegin hat grade Stress wegen einer wichtigen Deadline – okay, heute ist nicht der Tag, an dem wir kreativ über neue Lösungen diskutieren.

Mein Kollege kommt grade euphorisiert von seiner Jogging-Runde – heute kann ich mir gut seinen Rat zu einem schwierigen Thema einholen ….

 

Zusätzlich kann die Frage „Wann war es für dich ein guter Termin?“ weitere Transparenz schaffen, um Erwartungen sichtbar zu machen und fokussiertes, bedarfsorientiertes Arbeiten zu ermöglichen.

Der ein oder andere wird jetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sagen, ach du meine Güte – das wird ja völlig aus dem Runder laufen. Sollen wir uns jetzt nur noch erzählen wie es uns geht?

 

Dass dies nicht passiert, liegt an Ihnen – bzw. an der Beachtung einiger Grundsätze für einen guten Check-in (bzw. ein gutes Meeting-Format im Allgemeinen):

 

  1. Es gibt eine klar definierte Moderatoren-Rolle.
  2. Der Moderator gibt Klarheit zur Ausgestaltung, Zeitrahmen und Ziel des Formates / Check-ins.
  3. Der Moderator gibt den Zeitrahmen für die Wortbeiträge vor – bei kleinen Gruppen z.B. eine Minute bei größeren Gruppen z.B. ein Satz und begrenzt die Wortbeiträge bzw. ermutigt zur differenzierten Beschreibung.
  4. Der Moderator achtet darauf, dass jeder dran kommt.
  5. Für ein Team bzw. eine Arbeitsgruppe ist es oftmals ein großer Schritt, ein ernsthaftes Check-in Format einzuführen. Menschen brauchen Zeit sich zu öffnen und müssen Vertrauen zum neuen Format aufbauen. Geben Sie der Gruppe Zeit, lernen Sie gemeinsam und gehen Sie mit gutem Vorbild voran 😉

 

Ein Check-in schafft so auch zahlreiche Anknüpfungspunkte für die fehlende informelle Kommunikation. Wenn ich weiß, was meine Kollegen und Mitarbeiter grade bewegt, kann ich darauf auch in einem Telefongespräch zurückkommen oder die Initiative ergreifen und meinem Kollegen Hilfe anbieten.

Und wie schon in Punkt 5 angedeutet, Sie erschließen mit dem Check-in eine neue Dimension der Kommunikation – tun Sie es mit einem guten Mix aus Leichtigkeit, Humor, Ersthaftigkeit und im „Probier-Modus“.

 

Und ich bin davon überzeugt – es wird die Qualität der Zusammenarbeit in Ihrer Organisation nachhaltig verbessern. Und das nur mit einer vermeintlich kleinen Praktik.

Marco Spee

 


MARCO SPEE

Coaching | Team development | Facilitation

 

»Ich begleite Unternehmen, die lebendige Verbindungen etablieren und stärken wollen. Die daran glauben, dass mit mehr Menschlichkeit im Umgang wesentlich mehr erreicht wird.«

 

Bei Teamentwicklung Lab führt Marco Spee von Hamburg aus Seminare und Workshops zu Teamcoaching und zur Teamentwicklung durch – wenn es Sinn macht, kombiniert er diese mit der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg. Ferner arbeitet er in den Bereichen Organisations-Transformation, New Work und Facilitation.

 

Kontakt:

www.new-work-lab.com

kontakt@marcospee.com

 


*Feedback aus ca. 20 Reflexionsformaten zur „Führung auf Distanz“ mit Führungskräften und HR-Mitarbeitern in meiner Arbeit als Coach und Trainer im Jahr 2020

**Frederick Laloux (2018), Reinventing Organsiations, Vahlen

***zum Erfolgsfaktor „psychologische Sicherheit“ und deren Stellenwert für „high-perfomance teams“ siehe Google Aristoteles Projekt