AHA-Moment #1

Wir hatten ja versprochen besondere „AHA-Momente“ mit Euch zu teilen, die uns während unserer Forschungs-Interviews begegnet sind. Hier eines, dass uns bereits im ersten Gespräch besonders aufgefallen ist.

 

Die Situation

Die interviewte Person arbeitet als Bereichsleitung in einem Unternehmen mit gut 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem hohen Anteil an EDV-Nutzung in den Unternehmensabläufen. Die vorhandenen digitalen Kommunikationsmedien für Chat und Videokonferenzen sollten verstärkt genutzt werden. Es gab einen konkreten Rollout-Plan für die knapp 120 betroffenen Personen und der Sinn der Maßnahmen war durchgehend kommuniziert. Irgendwie ging das Projekt aber über Monate nicht weiter. Selbst nach zahlreichen Sitzungen mit den zuständigen Führungspersonen wurden die Medien nicht – oder nicht wie geplant – genutzt.

 

„Ich dachte, die wollen das nicht, weil das neu ist.“

 

Erst nach und nach wuchs eine Erkenntnis: Die betroffenen Teamleiter hatten zwei grundsätzliche Sorgen: Die neuen Strukturen selbst nicht richtig zu verstehen und dann überrollt zu werden und auch, dass sie die Neuerungen nicht korrekt an ihre Teams vermitteln können.

„Das war ein Schlüsselmoment, als ich gemerkt habe, das ist nicht, weil die nicht wollen,
sondern weil die Angst haben.

Das hat Monate gebraucht, bis ich das verstanden habe! Diese große Angst der Teamleiter – dort war ja hauptsächlich die Blockade – das war gar nicht weil sie es prinzipiell nicht wollen, sondern weil sie Angst haben, das nicht zu verstehen und überrollt zu werden bzw. dass sie etwas mitkriegen und es ihren Teams nicht richtig vermitteln können.“

Obwohl also mehrere Personen ähnliche oder gleiche Befürchtungen hatten, wurden die Sorgen nicht ausgesprochen. Das wurde vermutlich dadurch verschärft, dass insbesondere Führungskräfte ungern als persönlich überfordert wirken möchten. In diesem Fall umso ärgerlicher, da ja offensichtlich alle die gleichen Sorgen teilten.

Die nur gefühlte persönliche Überforderung der einzelnen Führungskräfte führte bei unserem Interviewpartner zu einer (wiederum) nur gefühlt erlebten Blockadehaltung. Nur gefühlte persönliche Überforderung der Führungskräfte, weil ja eigentlich alle dieselben Sorge hatten, und gefühlte Blockadehaltung, da ja eigentlich alle wollten, nur jeder für sich Angst hatte. In der Folge konnte sich das Team selbst nicht helfen oder auch helfen lassen. Spannend, oder?

Erst mit der Erkenntnis, warum die Teams den Digitalisierungsprozess nicht unterstützt haben, konnte der Stillstand durch eine angepasste Kommunikation aufgelöst werden.

Schlussfolgerung#1
Auch viel Kommunikation hilft nicht, wenn ein wesentlicher Teil fehlt.

Schlussfolgerung #2:
Gemeinsame Sorgen oder Ängste können nicht gelöst werden, wenn sie niemand aus- oder anspricht.

Unser Projekt – Projektablauf #2

Im Rahmen des “Förderprogramms Soziale Innovation – Projekte zur Arbeitswelt im Wandel” der Europäischen Union (EU) und des Europäischen Sozialfonds (ESF) – leisten wir im Projekt „Digitale Kommunikationskultur für kleine und mittlere Unternehmen“ einen grundlegenden Praxis-Beitrag für die Erschließung des Themenbereichs der veränderten Anforderungen an die Kommunikation innerhalb von Unternehmen in Zeiten des digitalen Wandels.

Ausgehend von der Notwendigkeit der Digitalisierung von Unternehmen und der damit einhergehenden Veränderung der Kommunikationskultur, ist unser Ziel die Entwicklung eines Handlungsleitfadens – und von Methoden – zur aktiven Gestaltung einer optimal angepassten Kommunikationskultur.

Wir konzentrieren uns dabei auf eine unternehmensinterne Perspektive, beachten aber natürlich auch Wechselwirkungen von Digitalisierung in vor- und nachgelagerten Unternehmen, Behörden und bei Kunden.

Was heißt das konkret?

Der Ausgangspunkt

„Wo steht das denn?“ ­− „An wen muss ich das jetzt alles schicken?“
„Das hat mir keiner gesagt!“ – „Wieso? Da waren Sie doch in CC!“
„Wenn der so patzig schreibt, kriegt der gar nichts mehr von mir!“
„Die von Abteilung X stellen sich das ja auch alles so einfach vor!“
„Was machen die da oben eigentlich hauptberuflich?“

 

Aussagen, die wohl jeder kennt. Und das Ganze ist durch die Digitalisierung nicht unbedingt einfacher geworden! Ansatzpunkte gibt es viele, eine Musterlösung leider nicht. Ausgehend von diesen persönlichen Erfahrungen alltäglichen Kommunikationsschmerzes ist unser Ziel, ein handfestes Vorgehen zur aktiven Gestaltung einer optimal angepassten Kommunikationskultur zu entwickeln.

Dazu werden wir:

  • (Ein) Verfahren entwickeln, um interne Kommunikationskultur erfassen und bewerten zu können
  • Einflussfaktoren der Kommunikationskultur ermitteln
  • Methoden zur zielgerichteten Weiterentwicklung von Kommunikationskultur erarbeiten

 

Das Vorgehen

 

Um die gesetzten Ziele zu erfüllen, werden wir uns in 6 Projektphasen der Definition, der Bewertung und schlussendlich der Veränderung der Kommunikationskultur in Unternehmen nähern:

Von Anfang an nah an der Praxis

Ziel ist, die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse mit Expertise aus der Praxis zu koppeln und zu erproben. Die Projektarbeit erfolgt daher von Beginn an in enger Zusammenarbeit mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft. Teilnehmende Unternehmen profitieren als erste Anwender unmittelbar von den Projektergebnissen.

Bei Interesse melden Sie sich jederzeit bei uns unter hello@kommunikationsrebellen.de.

Finanzierung

Das Projekt „Digitale Kommunikationskultur für KMU“ wird im Rahmen des “Förderprogramms Soziale Innovation – Projekte zur Arbeitswelt im Wandel” von der Europäischen Union (EU), dem Europäischen Sozialfond (ESF) und dem CCMI vollständig finanziert.

 

Im Überblick

Antwort an Caroline Zäbe

Liebe Caroline,

herzlichen Dank für Deinen Kommentar, den wir gerne etwas ausführlicher in einzelnen Blöcken beantworten möchten.

Wie ist unsere konkrete Vorgehensweise?

Wir haben uns noch einmal intensiv mit der Darstellung des geplanten Ablaufs unseres Projekts auseinandergesetzt. Insbesondere haben wir versucht, dabei den Blick von außen noch stärker zu berücksichtigen. Daraus ist eine neue – hoffentlich eindeutigere – Darstellung unseres Projektes, unserer Ziele, der Arbeitsweise und auch der Vorteile durch eine Teilnahme entstanden: Neue Projektübersicht

Wir freuen uns schon jetzt auf weitere Rückmeldungen und sind dankbar für jeden Hinweis.

Was kannst Du für Dich/Dein Unternehmen aus unserer Arbeit ziehen?

Wir haben uns auf den Weg gemacht, das Thema Interne Kommunikationskultur und die Auswirkungen der Digitalen Transformation bis September 2022 nicht nur genauer zu untersuchen, sondern auch Herangehensweisen und „Tools“ zur Verbesserung der Kommunikation in Unternehmen zusammenzutragen und zu entwickeln. Warum?

Aus unseren Erfahrungen als Prozessberater, Projektleiter, Vertriebsspezialist und Marketingverantwortliche haben wir gelernt, dass Optimierungsanstrengungen oft scheitern, weil „die Kultur nicht stimmt“, „die Menschen nicht mitziehen wollen“, „weil sie nicht verstehen“. Als Mitarbeiter und Vorgesetzte haben wir selbst erfahren, wie ratlos wir nicht selten vor gut gemeinten und eigentlich auch gut gemachten E-Mails, Ablaufplanungen, Unternehmensstrategien, Info-Boards, Vorschlägen usw. standen. Das hat alles irgendetwas mit Kommunikation zu tun – da waren sich alle Beteiligten einig. Aber für das „Was genau?“ hatten wenige Zeit oder Lösungsansätze. Es war aber klar zu erkennen, dass es in Teams, Abteilungen, Unternehmen, Märkten, (…) immer wieder welche gab, in denen „es“ auf wundersame Weise besser lief. Oft war von „Spirit“ die Rede.

Am Ziel angekommen werden wir in der Lage sein zu helfen bzw. Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, indem wir für den „weichen“ Faktor Kommunikationskultur gemeinsam Entwicklungsmöglichkeiten schaffen. Arbeitsabläufe und Arbeitsplätze sollen dabei nicht nur produktiver werden, sondern gleichzeitig eine entspannte Arbeitsatmosphäre bieten.

Wenn Du uns begleitest, kannst Du für Dich und Dein Unternehmen spannende Stationen dieser Reise miterleben, wenn Du magst mit uns diskutieren, ausprobieren und lernen, und damit unseren Weg begleiten und mitgestalten. Du kannst aber auch warten, bis wir mit konkreten Ergebnissen aufwarten können.

Ist eine aktive Teilnahme Deinerseits möglich und/oder notwendig?

Wir teilen unsere Ergebnisse hier im Blog und mit allen. Also nein – Du musst nicht.

Aber wenn Du mit ausprobieren, lernen, erleben und erfahren möchtest, dann profitierst Du von einer aktiven Teilnahme.

Für das Projekt selbst benötigen wir unbedingt eine Mitwirkung von Menschen außerhalb des Teams, um auf einem möglichst breiten Wissens- und Erfahrungsschatz aufzusetzen und eine hohe Alltagstauglichkeit zu erreichen. Dafür wünschen wir uns die Mitwirkung von Einzelpersonen und Unternehmenspartnern gleichermaßen.

Wie sieht das konkret aus? Die jetzt laufenden Forschungs-Interviews, oder Deine Nachfrage, über die wir ja nachgedacht haben und die wir jetzt hier beantworten, sind gute Beispiele. Was konkret noch, wird sich erst im Projektverlauf ergeben. In jedem Fall ist es dann gut und wichtig Personen oder Unternehmen an unserer Seite zu wissen, die uns unterstützen.

Interviews
Ein Zwischenstand und erste Erkenntnisse

Seit knapp einem Monat läuft nun unsere Interviewreihe #1 mit Experten und Gestaltern aus der Praxis.

Unser Ziel war es Definitionen zu schärfen, Lücken in der wissenschaftlichen Arbeit auszugestalten und unser Verständnis von Kommunikationskultur zu komplettieren. Über unsere Auswahl von Interviewpartnern wollten wir zusätzlich unterschiedlichste Perspektive einnehmen und unser Untersuchungsgebiet durch immer wieder neue Augen betrachten.

Das Ergebnis in Kurz: Wahnsinnig spannend und wir haben schon mehr gelernt, als wir gehofft haben.
Vielen Dank an unsere Interviewpartnerinnen und Partner!

 

Bevor wir dazu ins Detail gehen, erstmal ein paar Fakten:

  • Interview-Stil: Teilstrukturiert mit offenen Fragen
  • Bereits durchgeführt: 13
  • Durchschnittliche Interview-Dauer: 52 Minuten
  • 675 Minuten spannendes Interviewmaterial
  • Bereits terminierte weitere Interviews: 4
  • In Terminabstimmung: 3

 

Weitere Anfragen laufen noch und wir haben von unseren Interview-Partnern noch tolle Tipps zu weiteren Ansprechpartnern bekommen.

Falls du selbst Interesse hast oder jemanden weißt, mit dem wir uns zur Internen Kommunikationskultur unterhalten sollten – freuen wir uns auf den Austausch mit dir!

 

Was haben wir gelernt? Kommunikation und Kommunikationskultur werden als „weiche Faktoren“ im Unternehmensalltag eher wenig beachtet. Für den Begriff gibt es keine einheitliche Definition, obwohl jeder eine Vorstellung hat und Kommunikation als außerordentlich wichtig empfindet.

 

„Ein Patent-Rezept zur perfekten Gestaltung der Kommunikationskultur gibt es leider nicht – auch wenn sich dies der ein oder andere wünschen würde“.

 

Und damit kommen wir zu einer ersten Erkenntnis aus den Interviews: Ein Großteil der Interviewten hat am Ende des Gesprächs festgestellt: Allein teilzunehmen, sich mit den Fragen zu beschäftigen, war erkenntnisreich und hat sie mit Blick auf Kommunikation weitergebracht!

„Ich würde das jedem empfehlen – wie ein Führerschein – sich mit diesen Fragen mal auseinanderzusetzen.“

 

Wir haben in den letzten Wochen viele Erfolgsgeschichten der Kommunikation und Aha-Momente, die sich positiv auf die Kommunikationskultur ausgewirkt haben, kennen gelernt. Ein paar davon werden wir in den kommenden Wochen mit Euch teilen.

Stay tuned!

 


https://kommunikationsrebellen.ccmi.de/2020/06/05/ein-blick-auf-den-aktuellen-projektstand-wo-wir-stehen-der-projektstand-status

Fast and Frugal Trees
Heuristik in der Kommunikation

Hier ein Fundstück aus unserem Alltag.

Komplexität begegnet uns überall – wohl aber nirgends mehr als am Arbeitsplatz. Besonders komplex wird es natürlich, wenn mehrere Personen zusammenarbeiten. Um uns das Leben leichter zu machen, versuchen wir zu standardisieren.

Warum wir das tun? Schlicht gesagt, um Komplexität durch Erfahrung zu reduzieren.

Wenn wir gleiche und damit wiederkehrende Abläufe definieren oder gleiches Material verwenden, reduzieren wir Komplexität, indem wir aus Erfahrung berechtigte Annahmen über den Ausgang von Aktivitäten treffen –  mal mehr und mal weniger zuverlässig natürlich. Das betrifft unsere Selbstorganisation und ist in gemeinschaftlicher Arbeit noch wichtiger, manchmal sogar überlebenswichtig.

Standardisierung führt dann zu weniger Fehlern, schnelleren Abläufen und mehr Sicherheit: Die stete Wiederholung führt zu Lerneffekten und erhöht damit meist das Tempo der Durchführung. Die Abstimmungen unter vielen Personen werden eindeutiger.

Durch bewusstes Abweichen von heute aktuellen, sowie von bereits versuchten und verworfenen Abläufen oder Materialien, können wir optimieren. Weiter kann das gewonnene Erfahrungswissen in Form der definierten Standards mit relativ geringem Aufwand weitergegeben werden – nicht jeder muss alle Versuche für sich selbst oder im Team durchführen.


Soweit so gut. Und was hat das mit Kommunikation zu tun?

 

Die Standards müssen ja kommuniziert werden. Fehlerfrei und eindeutig und verständlich.

Der Mensch am Arbeitsplatz muss kontinuierlich eine Unmenge an Wissen über Standards verarbeiten. Nicht alle müssen zu jeder Zeit zur Verfügung stehen – aber wenn sie benötigt werden, sind sie meist umso wichtiger. Zusätzlich müssen nicht selten innerhalb von Standards Entscheidungen getroffen werden: wenn dies, dann das oder das … Die Dokumentation und Weitergabe selbst wird komplex.


Was also tun?

 

Ansätze bieten heuristische Strategien. Die Heuristik sucht, grob gesagt, bei begrenztem Wissen oder unvollständigen Informationen und wenig Zeit nach wahrscheinlichen Aussagen oder praktikablen Lösungen.

Passt für uns wunderbar: Für die Prozessmodellierung in einer komplexen Umgebung ist eine höchstmögliche Genauigkeit von zentraler Bedeutung: Alle Aspekte des Prozesses selbst, sowie denkbare Übergabepunkte, müssen festgehalten sein. Da die meisten Menschen aber begrenzte Aufnahme- und Wiedergabekapazitäten haben, sind komplexe Prozessbeschreibungen nicht ohne weiteres zielführend. Das wiegt umso schwerer, wenn mehrere Prozesse ineinandergreifen oder schnell aufeinander folgen – Alltag also.

Eine heuristische Strategie versucht nun die Komplexität zu reduzieren, indem Informationen so weggelassen und Entscheidungsabläufe so vereinfacht werden, dass trotzdem mit hoher Wahrscheinlichkeit die „richtigen“ Ergebnisse erzielt werden. Dabei bedient sie sich unterschiedlicher Ansätze des Weglassens und der Nutzung z.B. von unbewusstem Wissen, angeborenen Fähigkeiten usw.

Eine aus unserer Sicht besonders gut zu nutzende heuristische Strategie ist die der „Fast and Frugal Trees“ (Laura Martignon, Vitouch, Takezawa und Forster, 2003): Komplexe Abläufe mit selbstständig zu treffenden Entscheidungen werden in binäre ja/nein-Abfolgen geteilt. Somit muss der Anwendende nicht den gesamten (Teil-)prozess erfassen, ggf. prüfen und befolgen, sondern nur den relevanten Ausschnitt.

Im Beispiel:

 

DARSTELLUNG IM QM-HANDBUCH

 

 

DARSTELLUNG IM MITARBEITERHANDBUCH

 

 

Fazit: Kommunikation bewusst zu reduzieren ist essenziell. Dabei helfen können heuristische Strategien.

 

Ein schönes Wochenende wünschen,

Die Kommunikationsrebellen

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Gut in das Thema schnuppern können Sie hier:

Vortrag Prof. Gigerenzer: Gefühltes Wissen

Konferenzschrift D. Skroboll: Heuristik

Englische Wikipedia: Fast and Frugal Trees